kontorz.de, 10.08.2019

Es war einer dieser unvergleichlichen Dahlemer Herbsttage unter längst nicht mehr schattenden Bäumen, seit über vierzig Jahren hier immer wieder genossen, die allerletzten Kastanien auf den Bäumen harrten der kleinen Winde, noch voller Lust, als zwischen beiden der Satz fiel: SIE wollen es nicht.
Lebenslanges freiwilliges und ehrenamtliches gesellschaftliches Engagement beider in mancherlei Rollen war auf den Punkt gekommen: Mit uns nicht mehr. Disengagement.
Fast fünf Jahre ist es jetzt her, daß ich Anfang Oktober 2014 diese Zeilen für ein angedachtes Blog im Blog zum Freiwilligen Engagement entwarf, gedacht als Auftakt zu einer Reihe von Notaten, Beobachtungen unter der Stichmarke Nach Dienstschluss.
Ich wollte verstehen, was sich mir abzuzeichnen schien: Wie SIE, wie eine nicht nur schleichende Indienstnahme freiwilliger Tätigkeiten durch Staat und (Sozial-)Ökonomie dem Aufbruch eines vorgeblich neuen Engagements, insbesondere nach dem Jahr der Freiwilligen 2001, jeden widerständig teilhabeheischenden Stachel zog. Ich fuhr damals in meinem Text fort, auch um den (alters-)resignativen Zug des Gesprächs unter Dahlemer Kastanienbäumen zu brechen, mich weiter in der Pflicht haltend:
Doch da Menschen (auch) Worttiere sind, wie Erich Arendt mal notierte, und manche vom Schreiben nicht lassen können, gibt es im Übergang einstweilen diese Kolumne, dieses Blog im Blog; auch Disengagement ist ein (manchmal langer) Prozess. Berichte schreiben, nichts Erfundenes. Genau sein. Kleine Dinge beobachten, Details. Punkte. Das Schreiben müßte punktueller sein – wünschte sich Ilse Aichinger im Alter: Die Frage, um die es hier gehen soll, ist die uralte nach dem Sommer, der vergeht.
Politischer gefragt: War es wirklich ein nur kurzer Sommer des sogenannt Bürgerschaftlichen Engagements, den wir Zeitgenoss*innen (mit)erlebten, der irgendwann in den späten siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts anhub und heuer im allseitigen Heldentum allerorten zu vergehen scheint: Alles ist Ehrenamt allüberall, millionenfach, Tonnenideologie, jedes freiwillige Tun – und alle sind zufrieden ganz wie die Kleinstadtbürger im heimischen Sauerland, die beim Schnadgang nach zur lokalen Folklore verkommener Kontrolle ihrer Waldgrenzen zufrieden feststellen: Alles ist gut. Allet use! Wie schon immer.
Aber weil Altern auch etwas zu tun hat damit, dass die Wurfweiten kleiner werden, dass manches auch sonst zu tun ist, Tag für Tag, wird es bei Beobachtungen bleiben, Details, Punkten, die sich zu Antworten fügen mögen. Die Form des Blogs, des Schreibens im Gehen, die Möglichkeiten des Verknüpfens von Inhalten, sie machen den punktierenden Zugriff möglich, nicht gebunden an Pläne und Umfänge, an Zeiten und Termine und anderes.
Das Blog wurde nie realisiert. SIE wollten den Spiegel nicht. Und er war schon zu müde, dagegen zu halten.
Details.Punkte. | kontorz.de (alt), 10.09.2019 (annotiert 2024)